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Einsatz von Videotechnik bei Gericht

Einsatz von Videotechnik bei Gericht

Mehrwert für Gerichtsprozesse durch Videoverhandlungen

Die Corona-Pandemie hat uns alle vor völlig neue Herausforderungen gestellt. Auf einmal ist das Home-Office sogar in Branchen praktikabel, für die das zuvor zumindest angezweifelt wurde. Und sogar eine Vielzahl von Gerichtsverfahren könnte mittels Videotechnik – besonders in diesen Zeiten mit erhöhtem Infektionsrisiko – ohne die physische Anwesenheit aller Beteiligten in einem Raum durchgeführt werden. Die gesetzlichen Rahmenbedingungen dazu existieren schon seit mehreren Jahren.

Es war im Jahr 2006, als Dr. Ralf Köbler, damals im hessischen Justizministerium tätig und heute Präsident des Landgerichts Darmstadt, gemeinsam mit dem amtierenden Justizminister im Landtag dazu befragt wurde, warum in hessischen Gerichtssälen noch keine Videotechnik für Gerichtsverhandlungen genutzt werde. Bis dahin war Videotechnik bereits für die Vernehmung besonders schützenswerter Opferzeugen im Einsatz. Sehr schnell wurde Einvernehmen darüber hergestellt, dass der Videoeinsatz für Gerichtsverhandlungen sinnvoll und notwendig sei. Der Hinweis von Dr. Köbler auf die damals noch hohen Beschaffungskosten wurde zügig mit einer Aufstockung des Budgets beantwortet.

„Zu dieser Zeit liefen Videokonferenzsysteme nur über ISDN-Technik“, so Dr. Ralf Köbler. „Tatsächlich genutzt wurde diese Technik anschließend eher in Ausnahmefällen, vor allem in Strafsachen mit Auslandsbezug, um Zeitverzögerungen zu vermeiden. Intensiv wurde und wird Videotechnik vom Finanzgericht Kassel eingesetzt. In der Zeit nach der Ausstattung der großen Gerichte in Hessen stellte sich allerdings heraus, dass die in den Prozessordnungen vorgesehenen Verhandlungen „am Bildschirm“ nicht recht in Gang kamen, weil sie nur im Einverständnis aller Parteien angeordnet werden durften. Die rechtlichen Rahmenbedingungen für eine Anordnung des Videoeinsatzes nach Ermessen des Gerichtes mussten erst noch geschaffen werden.“

In der Folge erhielt Dr. Köbler den Auftrag, ein entsprechendes Gesetz zu formulieren. Dieses Gesetz mit dem etwas sperrigen Namen Gesetz zur Intensivierung des Einsatzes von Videokonferenztechnik in gerichtlichen und staatsanwaltschaftlichen Verfahren ergänzt die Videovorschriften der Prozessordnungen und trat 2013 in Kraft, nachdem es bereits 2007 erstmals in den Deutschen Bundestag eingebracht worden war.

Auch danach hat sich in der Praxis noch nicht viel geändert, weil die Videotechnik bis dato überwiegend (z.B. im LG Darmstadt) nur über fest installierte Konferenzsysteme realisiert werden konnte, die nur in einem bestimmten Gerichtssaal mit ISDN-Anschluss nutzbar sind. Erst seit wenigen Jahren steht eine IP-basierte HD-Videoanlage zur Verfügung, die in jedem Raum mit Netzwerkanschluss genutzt werden kann.

Konferenztechnik muss einfach in der Anwendung sein

„Nach meiner Ansicht kann sich eine solche Technik nur dann durchsetzen, wenn sie jeder Beteiligte – also auch Richter und Anwälte – von seinem Schreibtisch aus nutzen kann und die Anwendung leicht verständlich ist“, erklärt Dr. Ralf Köbler. Daher hat erst die Internettechnik für eine Kostensenkung und Vereinfachung gesorgt. Aktuell wird dazu in Hessen über das landeseigene Netzwerk das Produkt HessenConnect, ein landeseigenes Derivat von Skype for Business eingerichtet. Das heißt, Konferenztechnik könnte und dürfte bald am Schreibtisch genutzt werden.

Dr. Köbler unterstreicht, wie beschwerlich er selbst es fand, in seinen jungen Jahren als Rechtsanwalt für eine schlichte Zivilsache von 10 min Dauer insgesamt 2 Stunden im Auto sitzen zu müssen und in dieser Zeit nichts Wichtigeres erledigen zu können. Er appelliert daher deutlich an die Anwaltschaft, sie könne viel bewegen, wenn sie in geeigneten Fällen bei den Gerichten die Durchführung von Verhandlungen unter Nutzung der Videotechnik beantragen würde.

Videokonferenzen bei Gericht – die Vorteile überwiegen

Sicher gibt es noch immer eine gewisse Zurückhaltung gegenüber technischen Systemen unter den Richtern. Einen weiteren Grund sieht Dr. Köbler darin, dass Richter gern die Beteiligten vor dem Tisch haben möchten, um Vergleichsvorschläge zu besprechen oder Betroffenen zu raten, Rechtsmittel wie Einsprüche gegen Bußgeldbescheide zurückzunehmen.

Jedoch könnten diese Vorteile gleichermaßen im Gerichtsverfahren mit Videokonferenz genutzt werden. Letztlich könnten mit Hilfe der Videotechnik viele „einfache“ Verfahren erheblich beschleunigt werden, was am Ende zu einer Entlastung aller Beteiligten beitragen würde.

Wie sieht es mit der Sicherheit aus? Das Gericht versendet die Einladungs-Links zu einer Videokonferenz aus seinem sicheren Netz. Damit könnten andere nicht darauf zugreifen. Daneben würde das Videoverfahren vornehmlich bei öffentlichen Verhandlungen eingesetzt, so dass Geheimhaltung eigentlich kein Thema ist. Das einzige Risiko wäre letztlich, dass jemand eine Verhandlung mitschneidet und später veröffentlicht. Aber da man entsprechende Vergehen unter Strafe stellen kann, sei es nicht anders als bei anderen Inhalten, die der Verschwiegenheit unterliegen.

In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage nach der Authentisierung der Beteiligten. Gerichte, Behörden und Anwälte können sich leicht authentifizieren, indem man die Videolinks beispielsweise über das beA versendet, in dem jeder Rechtsanwalt automatisch identifiziert ist.
Im Rahmen der Corona-Krise findet Videotechnik auch zur Realisierung von „Besuchen“ bei Strafgefangenen oder bei der Anhörung Untergebrachter in Kliniken oder geschlossenen Einrichtungen Anwendung, zum Teil auf der Grundlage analoger Gesetzesanwendung, wo derzeit Vorschriften fehlen.

Fazit

Sehr viele Gerichtsverhandlungen könnten ohne großen Aufwand per Videokonferenz geführt werden. Daher ist es nun an der Anwaltschaft, diese Option bei den Gerichten einzufordern. Im Ergebnis ließe sich dadurch viel einsparen – Zeit bei den Beteiligten, unnötige Wege und Reisekosten, Energie für die Beförderung…

Was benötigt die Anwaltschaft, um an einer gerichtlichen Videokonferenz teilzunehmen?

  • PC oder Mac mit aktuellem Betriebssystem
  • E-Mail-Programm und beA
  • Freigegebene Webcam und Mikrofon (besser: Headset)
  • Den Einladungslink, um der Konferenz beizutreten

Hintergrundinformationen:
Gerichte mit Videokonferenzanlagen
Gerichte und Ansprechpartner für das Thema Videokonferenzen sind hier abrufbar.

Gesetzesgrundlage
Gesetz zur Intensivierung des Einsatzes von Videokonferenztechnik in gerichtlichen und staatsanwaltschaftlichen Verfahren

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