Die Alternative: Inselschönheiten mit dem Motorrad entdecken
Mallorca – fast jeder hat dazu sofort ein Bild im Kopf. Leider sind diese Bilder nicht selten beeinflusst von wilden Medienberichten und plakativen Schlagzeilen auf dem Niveau des Nachmittagsfernsehens. Die Insel hat mit ihren über 3.600 km² Fläche jedoch ungleich mehr zu bieten als Ballermann und Schinkenstraße. Wer’s nicht glaubt, sollte sich selbst ein Bild machen, was aufgrund der perfekten Luftverkehrsanbindung von Deutschland aus einfach und meist kostengünstig zu bewerkstelligen ist. Unser Vorschlag: Mieten Sie sich ein Motorrad und genießen Sie kleine und kleinste Nebenstraßen, die einem Vergleich mit bekannten Motorrad- und Cabrio-Revieren leicht standhalten.
Palma de Mallorca ist von vielen deutschen Verkehrsflughäfen nur einen Katzensprung entfernt. In gut zwei Stunden gelangt man in den meist sonnigen Süden, der in der Vor- und Nachsaison seinen besonderen Reiz und weniger Trubel verspricht. Um Nicht-Motorradfahrer nicht zu verschrecken: Natürlich kann man die Insel auch im Auto erkunden. Die Eindrücke ohne Gehäuse um einen herum sind jedoch intensiver. Je nach Geschmack gibt es unterschiedliche Vermieter auf der Insel, die teils erstklassiges Material bereitstellen. So hat der Autor die von erfolgreich ausgewanderten Deutschen betriebene Vermietung Mallorquin-Bikes in Felanitx selbst getestet. Neben hervorragendem Kundenservice und ausgesprochen freundlichem Personal sorgt das Team des Familienbetriebs mit eigener Werkstatt für ein technisches Niveau, das auch in Deutschland nicht besser sein könnte. Sogar die Schutzbekleidung kann man vor Ort ausleihen, denn sie ist im Mietpreis für die Motorräder eingeschlossen. Navis stehen zur Miete bereit.
Warm werden mit Insel und Motorrad
Felanitx liegt im Südosten der Insel. Daher könnte eine erste Runde noch weiter in Richtung Süden führen. Hier ist das Land eher flach und die Kurven sind moderat. So lässt sich Vertrauen in die Maschine aufbauen. Über die Landstraße Ma-14 geht es in Richtung Santanyí und weiter über die Ma-6100 und Es Llombards nach ses Salines. Bis heute wird hier in 130 ha messenden künstlichen Salzlagunen Speisesalz gewonnen. Im Frühjahr flutet man die Becken mit Meerwasser und durch Verdunstung im Sommer entsteht das bei Feinschmeckern begehrte Flor de Sal, das nach wie vor in Handarbeit gewonnen wird. Die Mitnahme als Souvenir sollte man einplanen. Die Masse des „normalen“ Salzes entsteht bis zum Herbst und wird mit Baggern maschinell abgebaut und „auf Halde“ gelegt.
Ein weiterer Kurzausflug für den nun schon versierteren Biker könnte zu dem einzigartig gelegenen Kloster Santuario de San Salvador führen. Eigentlich von Felanitx nur einen Steinwurf weit entfernt ist, stellt die Serpentinenstraße PMV-4011auf den 509 m hohen Berg Puig de Sant Salvador jedoch schon eine größere fahrerische Herausforderung dar. Die Straße braucht sich hinter Alpenstraßen nicht zu verstecken. Oben wird man belohnt durch einen phantastischen Panoramablick. Es gibt auch eine Möglichkeit, beim Kloster zu übernachten.
Von hier aus lasst sich in einem nachfolgenden Schlenker an die Ostküste all das aus der Nähe betrachten, was man zuvor von oben gesehen hat. Die Costa de Llevant mit ihren unzähligen Buchten, den sog. Cales, bietet in Richtung Norden von berühmten größeren Ferienorten bis zu kleinen verträumten Buchten für jeden Geschmack etwas. Auf Mallorca gibt es allerdings nur wenige Abschnitte, an denen eine Straße der Küstenlinie folgt. Häufig sind es die kleinen Stichstraßen, die einen in oftmals vom Tourismus noch nicht überschwemmte Buchten und Orte führen.
Wer noch eine weitere besonders winzige Straße ins Nichts sucht, der ist mit der Ma-3333 von Artà zur Ermita de Betlem im Nordosten der Insel hervorragend bedient. Das einsam gelegene Kloster bietet einen wunderbaren Blick aufs Meer. Und die Straße endet hier. Ab dort geht es nur noch zu Fuß oder mit dem Mountainbike weiter bis hinab an die Küste. Apropos Fahrrad. Mallorca ist unter Radlern schon lange kein Geheimtipp mehr. Speziell im Frühjahr nutzen unzählige Amateure und Profis die Insel zum Trainingsstart in die neue Saison. Das macht die Fahrt, besonders auf den beliebten Passstraßen des Tramuntana-Gebirges, für motorisierte Verkehrsteilnehmer nicht immer einfacher.
Im Norden und Westen der Insel werden die Berge höher und nehmen alpine Züge an. Ganz hoch im Norden liegt das berühmte Cap de Formentor. So schön die Straße von Pollenca aus ist, so sehr muss man dem motorisierten Reisenden – egal ob mit Auto oder Motorrad – nahelegen, diesen Auslug in der Nebensaison oder sehr früh morgens zu unternehmen, denn sobald auch die Busse unterwegs sind, ist es langwierig, das Ende der Stichstraße zu erreichen.
Krawatte mal ganz anders
Folgt man von Pollenca der Ma-10 in Richtung Westen, fühlt man sich in die Alpen versetzt. Im weiteren Verlauf vorbei am touristisch erschlossenen Kloster und Wallfahrtsort Lluc sollte man sa Calobra an der Nordwestküste ansteuern. Auf der Strecke ans Meer hinab gibt es den berühmten „Krawattenknoten“ Nus de sa Corbata, bei dem die Straße eine 270 Gradkehre vollführt, bevor es weiter hinab an die Küsten geht.
Einige weitere Tipps gefällig? Die Ma-10 führt als eine der wenigen echten Küstenstraßen in großer Höhe an der Nordwestküste von Sóller nach Valdemossa. Die Ausblicke auf den Infinity Pool Mittelmeer bleiben unvergesslich. Zum durch den Komponisten Frédéric Chopin und die Schriftstellerin George Sand berühmt gewordenen und in den Bergen angesiedelten Ort Valdemossa gehört auch ein kleiner Hafen, Port de Valdemossa. Hinab ans Meer führt eine weitere spektakuläre Straße (Ma-1131). Diese ist so schmal und steil, dass es keinen Busverkehr mehr gibt! Unten wird der Biker im Fischrestaurant des Hafens zur Belohnung für den vergnüglichen aber auch etwas schauerlichen Abstieg kulinarisch bestens versorgt.
Einen eindrucksvollen Pass möchten wir ebenfalls nicht unterschlagen. Zwischen Sóller und Palma de Mallorca gibt es seit 1929 nicht nur den berühmten Bummelzug „Roter Blitz“ – der Name ist aus heutiger Sicht irreführend – sondern auch eine herrliche Passstraße, die man erreicht, wenn man nicht der Ma-11 durch den Tunnel folgt, sondern auf die Ma-11a abbiegt. Wie zusammengefaltetes Papier „stapeln“ sich hier auf beiden Seiten der Passhöhen die Kehren und kurzen Geraden.
Fazit
Die genannten Sehenswürdigkeiten und Sträßchen auf Mallorca sind nur ein winziger Ausschnitt, der sich beliebig fortsetzen lässt und keineswegs abschließend ist. Er soll nur Lust machen auf das andere Mallorca. Und Möglichkeiten der Übernachtung finden sich auf der ganzen Insel reichlich und für jeden Geschmack. Da möchten wir den Vorlieben unserer Leser nicht vorgreifen. Also, was liegt näher im kommenden Spätsommer oder Herbst?
Fotos im Beitrag: Stephan H. Gursky
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