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Fehlerkultur – auch in der Rechtspflege eine herausfordernde Aufgabe

Fehlerkultur – auch in der Rechtspflege eine herausfordernde Aufgabe

69. Deutscher Anwaltstag 2018

Der Deutsche Anwaltstag 2018 fand mit dem Veranstaltungsort Mannheim in der Metropolregion Rhein-Neckar statt. Um zu unterstreichen, wie zunehmend wichtig auch für Anwälte vernetztes Denken ist, wurde die Veranstaltung gleich von fünf benachbarten Anwaltsvereinen ausgerichtet. Vor hochkarätigem Publikum wurde erstmals das Thema Fehlerkultur in den Fokus gestellt. Und das vor Juristen, die ja – quasi systemimmanent – fast immer Recht und als Richter sogar das letzte Wort haben. Im sonnigen, fast mediterran wirkenden Mannheim ging es also um ernste Themen und auch den selbstkritischen Blick ins Innere der Juristerei.

Im Rahmen der zentralen Eröffnungsveranstaltung richtete DAV-Präsident Ulrich Schellenberg das Grußwort an das versammelte Auditorium, nachdem Mannheim zur Einstimmung seinem Ruf als eine der Jazz-Metropolen Deutschlands mit der tollen Band Kinga Glyk alle Ehre machte und die Zuhörer mit einem coolen Swing in Schwung brachte.

„Wir Anwälte kennen uns mit Fehlern aus“, so Ulrich Schellenberg, „allerdings meist mit denen anderer.“ Es gelte nun, die Komfortzone zu verlassen, um sich in unbequemen Zeiten auch einmal mit eigenen Unzulänglichkeiten auseinander zu setzen. So sieht Schellenberg schon bei der Begründung eines Mandats häufig Optimierungspotenzial, denn obwohl Sprache ja das erklärte Handwerkszeug von Anwälten ist, hapere es oft am gegenseitigen Verstehen. Anwälte werfen unbedacht mit den für sie selbstverständlichen juristischen Begriffen um sich, verstehen aber mitunter das Anliegen von Mandanten nicht richtig. Manchmal, weil sie nicht richtig zuhören und Sachebene sowie Beziehungsebene nicht zu trennen in der Lage sind.

Von entscheidender Bedeutung für alle Menschen, die in unserem Land leben, seien die Errungenschaften des Rechtsstaates. Und Schellenberger geht noch einen Schritt weiter, indem er eine populistische Aussage eines AfD-Politikers über den angeblich ‚erbärmlichen‘ Rechtsstaat aufgreift und als gefährlich einstuft. Schließlich engagieren sich Tausende Richter, Staatsanwälte und Rechtsanwälte täglich dafür, im Rahmen einer freien Justiz Verantwortung zu übernehmen. Und das sei selbst in nur wenige hundert Kilometer entfernten Ländern durchaus nicht immer der Fall.

Außerdem warnte er davor, Populismus zu betreiben, indem man einen sog. „Pakt für den starken Staat“ fordere und fördere. Ziel sollte es vielmehr sein, einen „Pakt für den Rechtsstaat“ zu gründen. Schließlich arbeiten Anwälte für den gesellschaftlichen Frieden auf Basis geltenden Rechts und schützen damit die Bürger und nicht den Staat. Dafür ist eine starke, unabhängige Justiz unabdingbar.

Gleichwohl werden überall dort, wo Menschen arbeiten, auch Fehler gemacht. Diese zu thematisieren und öffentlich zu diskutieren sei eine Chance, die nur ein Rechtsstaat in einer freiheitlichen Demokratie erlaube. Ein Beispiel sei die Höhe einer Haftentschädigung, die einem zu Unrecht Eingesperrten zustehe. Diese ist deutlich niedriger als die Entschädigung für einen Tag „vertane Urlaubsfreude bei einer Kreuzfahrt“.

Ein kurzer Exkurs führte zu dem noch schwelenden Disput zwischen BRAK und DAV bezüglich des beA. Er forderte den anwesenden Präsidenten der BRAK, Ekkehard Schäfer, auf, nun die Sicherheit des beA dahingehend prüfen zu lassen, dass die Gutachten offengelegt würden, um damit Transparenz und Vertrauen zu schaffen.

beA – wie es weiter geht

Mit Spannung wurde am Freitagnachmittag eine Diskussionsrunde zum aktuellen Stand beim beA erwartet. Allerdings waren dort keine Neuigkeiten zu erfahren. In etwa zwei Wochen dürfte das secunet-Gutachten veröffentlicht und dann auch eine Präsidentenkonferenz einberufen werden.

BRAK-Geschäftsführerin Julia von Seltmann verwies darauf, dass das beA sicher nicht von jetzt auf gleich online gehe. Der Ablauf werde mit allen Beteiligten besprochen und gut vorbereitet.

Dr. Ralf Köbler, Präsident des Landgerichts Darmstadt, der als Vertreter der Justiz zu der Diskussion eingeladen war, forderte eine Pilotierung zur Einführung des beA. In seinen Augen ist sie „zwingend notwendig“. Die Justiz sei noch nicht wirklich auf den elektronischen Rechtsverkehr vorbereitet. Bei vielen Anwälten sieht es nicht besser aus. Der Wiesbadener Rechtsanwalt und Notar Ulrich Volk forderte seine Kollegen und Kolleginnen auf, sich intensiv mit dem Thema Digitalisierung zu beschäftigen. Er habe schon sehr früh umgestellt und zwei Jahre dafür gebraucht, eine solche Umstellung sei „auch immer ein Zeitfresser“.

Neben insgesamt 65 Stunden Fortbildungsprogramm gem. FAO gab es 50 Veranstaltungen an zwei Tagen, auf denen 200 Referentinnen und Referenten fast 2.000 Teilnehmer (nach Angaben der Veranstalter) in den unterschiedlichsten Bereichen informierten.

Auch die Arbeitsgemeinschaft Kanzleimanagement im DAV war wieder gut besucht und startete mit dem „Umgang mit Fehlern und wohin er führt“, in dem Ole Harders vom Beratungsunternehmen k.brio die Zuhörer sehr aktiv mitnahm auf eine Reise in die organisatorischen (Management-)Abläufe und deren Folgen in Unternehmen und Kanzleien. Am Ende sah man viele nachdenkliche und auch überraschte Gesichter unter den Teilnehmern – aber das im besten Sinne.

In weiteren Vorträgen und Diskussionen wurden vom Arbeitskreis unterschiedliche Projekte rund um die (vorhandene oder nicht vorhandene) Fehlerkultur in Kanzleien präsentiert und diskutiert.

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