Astrid Frense ist Rechtsanwältin und Notarin. Sie ist Partnerin in der renommierten Wirtschaftskanzlei Noerr in Berlin und sie ist Anwaltsrichterin. In ihrem „normalen“ beruflichen Leben hat sie sich auf Immobilienrecht spezialisiert. In ihrem ehrenamtlichen Leben ist sie seit 09. Mai 2016 Präsidentin des Anwaltsgerichtshofs (AGH) Berlin und gleichzeitig Vorsitzende des I. Senats.
Die Anwaltsgerichte und die Anwaltsgerichtshöfe, letztere sind immer an den Oberlandesgerichten angesiedelt (in Berlin heißt das traditionell Kammergericht), haben für die Anwaltschaft große politische Bedeutung. Sie signalisieren die Unabhängigkeit vom Staat. Die „freie Advokatur“, d.h. die Ausübung der anwaltlichen Tätigkeit möglichst unabhängig von staatlicher Kontrolle, Einschüchterung oder Bevormundung, zählt nach wie vor zu den Wesensmerkmalen eines demokratischen Rechtsstaats. In der Nazizeit und auch später in der DDR gab es solch eine freie und sich auch selbst verwaltende Rechtsanwaltschaft nicht.
Astrid Frense ist keine Frau, die sich in den Vordergrund drängt, sie gehört aber zu denjenigen, denen es wichtig ist, Privilegien, die sich die Anwaltschaft in vielen Kämpfen erobert hat, auch zu bewahren. „Das sind keine Privilegien für die Anwälte, sondern diese Privilegien dienen dem Schutz des Vertrauensverhältnisses zwischen Anwälten und Mandanten“, sagt Astrid Frense. Zu diesem Schutz gehört beispielsweise auch die Verschwiegenheitsverpflichtung. All das ist in der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) festgeschrieben und nachzulesen.
Zu dem System der Selbstverwaltung zählen natürlich auch die lokalen Rechtsanwaltskammern, die Bundesrechtsanwaltskammer und eben die Berufsgerichtsbarkeit, die es ähnlich auch für Notare, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer gibt.
Für alle berufsrechtlichen Belange von Anwälten und Anwältinnen sind zunächst die lokalen Rechtsanwaltskammern zuständig. Diese wiederum sind Mitglieder der Bundesrechtsanwaltskammer, die die Interessen der Anwaltschaft auf Bundesebene vertritt.
In sogenannten Disziplinarsachen, also wenn es zu Verstößen gegen die BRAO oder Konflikten mit der Rechtsanwaltskammer kommt, z.B. weil ein Anwalt widerstreitende Interessen vertreten hat , dann sind die Anwaltsgerichte, angesiedelt bei den einzelnen Kammern, zuständig. Gehen die Verfahren in die Berufung, sind die Anwaltsgerichtshöfe die nächste Instanz. Revision kann nach einem Urteil dort beim Bundesgerichtshof eingelegt worden. Dort gibt es einen speziellen Senat für Anwaltssachen.
In verwaltungsrechtlichen Anwaltssachen hingegen, also etwa bei Fragen die die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft oder deren Widerruf betreffen, z.B. bei Vermögensverfall, ist der Anwaltsgerichtshof in erster Instanz zuständig. Ebenso bei Konflikten betreffend Vorstandswahlen oder Beschlüsse der Rechtsanwaltskammerversammlung und dergleichen.
Wie wird man Anwaltsrichterin?
Nun zunächst einmal gehört eine große Portion Engagement dazu. Bei Astrid Frense war es jedenfalls so, dass sie sich zunächst bei der Rechtsanwaltskammer in Berlin für berufsrechtliche Fragen interessierte und dort bereits acht Jahre (2001-2009) Mitglied im Kammervorstand war. Nach einer Pause von zwei Jahren wurde sie dann Ende März 2011 zum Mitglied des AGH Berlin ernannt und ist zum I. Senat des AGH Berlin hinzugestoßen. Seit Mai 2016 ist sie Vorsitzende des I. Senats und Präsidentin des AGH Berlin, als Nachfolgerin von Frau Dr. Catharina Kunze, die das Amt lange Jahre innehatte.
All die viele ehrenamtliche Arbeit gehört bei ihr im weitesten Sinne zum Bereich Fortbildung und bietet auch Abwechslung vom Berufsalltag. „Das sind alles Privilegien einer unabhängigen Anwaltschaft“, sagt Sie, „Privilegien, die erkämpft wurden und jetzt müssen wir diese Rechte auch wahrnehmen.“ Zugleich findet sie aber auch viele neue interessante Entwicklungen des Berufsrechts, etwa im Bereich elektronische Medien, spannend.
Der AGH erledigt im Durchschnitt ca. 35 – 40 Fälle im Jahr. Vieles wird auf dem Beschlussweg beschieden, mündliche Verhandlungen gibt es eher selten. Eines allerdings gefällt ihr besonders gut und liegt ihr am Herzen, es zu sagen. Das sind die „fitten Mitarbeiterinnen“ der Kammergerichts-Geschäftsstelle: „Ohne deren professionelle Unterstützung ginge vieles nicht.“
Der einzelne AGH-Senat tagt jeweils mit zwei Berufsrichtern und drei Anwaltsrichtern. Besetzt sind die beiden Senate jeweils mit 7 Richtern (davon jeweils 4 Anwaltsrichter und 3 Berufsrichter). Derzeit gibt es in Berlin am AGH also 8 Anwaltsrichter. Ein Geschäftsverteilungsplan regelt die Einsätze.
Der Berliner Justizsenator hat die Ernennung der Mitglieder des AGH an den Präsidenten des Kammergerichts delegiert.
Was können Anwaltsrichter von Berufsrichtern lernen?
Astrid Frense wird nachdenklich. Aber es ist klar: „Als Richterin muss ich mich viel mehr zurücknehmen, muss mir alles genau anschauen, da werden keine Entscheidungen so aus dem Bauch heraus getroffen, das hat keine Chance, alles wird in einzelnen kleinen Schritten genau abgeprüft.“ Und dann gemeinsam im Gremium diskutiert. „Als Anwältin habe ich gar nicht die Zeit mit Kollegen und Kolleginnen die Fachfragen so ausführlich zu diskutieren, da ist man eher Einzelkämpfer.“ Und eines ist ihr auch sehr bewusst geworden: „Als Richter muss man sich davor hüten, zu früh Position zu ergreifen.“ Sie empfindet diese Erfahrungen als einen guten Ausgleich und „sie geben mir die Möglichkeit, Richter auch in anderen Verfahren besser zu verstehen.“ Natürlich geht es den Berufsrichtern andersherum genauso. Sie gewinnen durch die Zusammenarbeit mit den Anwaltsrichtern Einblick in die Denk- und Arbeitsweise der Anwaltschaft.
Im Focus des Interesses stehen derzeit natürlich die Entscheidungen des AGH zum beA, die auch zu einer Gesetzesinitiative geführt haben. Das Hauptsacheverfahren der Rechtsanwälte Heidemann ist auf den 28. September 2016 terminiert. Nicht immer stehen AGH-Verfahren aber so im Mittelpunkt des Interesses der gesamten Anwaltschaft.
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