Kanzleiorganisation

Kanzleiorganisation und E-Akte – ein Anwender berichtet

Kanzleiorganisation und E-Akte – ein Anwender berichtet

Digitales Geschäftsmodell der Kanzlei Scheurmann,  Schraad & Partner

Rechtsanwalt Raimund Schraad

Rechtsanwalt Raimund Schraad

Die überörtliche Kanzlei Scheurmann, Schraad & Partner Rechtsanwälte PartmbB gehört mit neun Anwälten und Büros in Bad Hersfeld und Eisenach zu den äußerst erfolgreichen Kanzleien in Hessen und Thüringen. Durch die weit reichenden Spezialisierungen der Berufsträger deckt das Team die unterschiedlichsten Rechtsgebiete ab. Knapp 20 weitere Mitarbeiter unterstützen die Anwälte und sorgen für einen reibungslosen Ablauf. Um die Arbeit für alle noch effizienter zu gestalten, hat die Kanzlei unter Federführung von Rechtsanwalt Raimund Schraad bereits frühzeitig damit begonnen, alle neuen Akten nur noch elektronisch zu führen. Der nachfolgende Bericht soll aufzeigen, welche Vorteile die Kanzlei damit heben konnte.

„Durch die intensive Nutzung der Kanzleisoftware von ReNoStar seit 1986 waren wir schon in der Vergangenheit gut organisiert“, so Rechtsanwalt Raimund Schraad. „Alle wichtigen organisatorischen Arbeiten wurden in der Software abgebildet, jedoch erfolgte die Aktenführung selbst noch überwiegend in Papierform. Im Laufe der Zeit und durch Beratung aus dem Hause ReNoStar wurde uns klar, dass die Digitalisierung auch vor unserem Berufsstand nicht Halt machen würde. Daher begannen wir – eher vorsorglich – bereits im Jahr 2014 damit, die gesamte Eingangspost einzuscannen, um die Dokumente später einmal in einer elektronischen Aktenführung integrieren zu können und nicht plötzlich Hunderte von Schriftstücken nachträglich digitalisieren zu müssen.“

Mit dieser visionären Weitsicht setzt sich die Kanzlei Scheurmann Schraad selbst heute, wo jeder über die E-Akte und die Digitalisierung des Anwaltsstands spricht, von der (noch) gelebten Realität in der überwiegenden Mehrzahl der Kanzleibetriebe ab. Nun mag mancher einwenden, dass „die“ E-Akte kaum geeignet ist, um auch sehr unterschiedliche Arbeitsweisen von Anwälten abzubilden. Dies erscheint umso problematischer, wenn unterschiedlich arbeitende Anwälte auch noch in einer gemeinsamen Kanzlei tätig sind. Nach Ansicht von Raimund Schraad muss man zwar die Eigenheiten eines jeden kreativen Anwalts berücksichtigen, jedoch gleichzeitig die Vereinheitlichung so weit vorantreiben, dass ein gemeinsames System möglich wird.

Als Folge dieser Erkenntnis wurden seit dem Beginn der Dokumenten-Digitalisierung die Akten zunächst parallel elektronisch und auch noch in Papierform geführt, was ohne Nebenwirkungen war, wenn man von der Pflicht zum Einscannen absieht. „Die Herausforderung bestand darin, die notwendigen Abläufe für die optimale Nutzung der E-Akte zu gestalten“, erklärt Raimund Schraad. „Anders gesagt: Wir haben einen Workflow definiert, der die Basis bildet, um alle Arbeiten in der Kanzlei logisch und aufeinander aufbauend in der E-Akte abzubilden.“

Elektronisch arbeiten – die Übersicht bewahren

Um die Akzeptanz für die elektronische Bearbeitung von Akten zu steigern, ist es notwendig, die Nutzung angenehm und leicht zu machen. Das bedeutete beispielsweise, dass jeder Rechtsanwalt und jede der persönlichen Assistentinnen über zwei große Monitore verfügt, um auch mehrere Dokumente nebeneinander anzeigen oder parallel juristisches Wissen recherchieren zu können. Man denkt in Bad Hersfeld sogar darüber nach, beispielsweise den Familien- und Baurechtlern noch einen dritten Monitor anzubieten, weil diese extrem viele Informationen nebeneinander zur Hand haben müssen.

„Auf den Schirm“

Mit diesem legendären Spruch gab schon Captain Kirk alle relevanten Informationen auf den Großmonitor der Enterprise. Daher passt er auch in die Kanzlei Scheurmann Schraad. So freuen sich die Verantwortlichen, dass man elektronische Akten nie mehr suchen muss. Sie sind nicht im Umlauf, im Schreibbüro, im Archiv oder sonst wo. Jeder hat stets und ständig Zugriff auf alle Akten – und das sogar gleichzeitig. Damit wird jeder Mitarbeiter in die Lage versetzt, ad hoc fundierte Auskünfte zum Sachstand einer jeden Akte geben zu können.

Vermeintlicher Nachteil: Das Scannen. Das sieht Raimund Schraad jedoch nach mehrjähriger Erfahrung nicht so. Der geringe Mehraufwand, jeden papiergebundenen Posteingang einscannen zu müssen, sei eine reine Organisationsfrage. Der vermeintliche Nachteil wird nach den Erfahrungen der Kanzlei bei weitem überwogen von den Vorteilen, der ständigen Verfügbarkeit der Akte an jedem der insgesamt 32  Arbeitsplätze.

An der Telefonzentrale scannt eine Mitarbeiterin am Vormittag nach der Postzustellung um etwa 10:00 Uhr die gesamte Eingangspost. Alle Scans landen bis 12:00 Uhr im Scanpool. Die Sachbearbeiter und persönlichen Assistenten der Rechtsanwälte ordnen dann sukzessive die elektronischen Dokumente aus dem zentralen elektronischen Posteingang der jeweiligen Akte und damit dem ReNoStar Dokumentenmanagement-System zu. Das erfolgt quasi per Mausklick. Um diesen Vorgang fehlerfrei zu machen, erhält jede Assistentin die Papierpost für „ihren“ Rechtsanwalt nach dem Scannen in einem Eingangskorb, um bei der Zuordnung Scan und Original zu vergleichen. Die Assistentin versieht die neue Post mit einem Workflowkennzeichen (z.B. KE: zur Kenntnis oder A: Anwalt muss bearbeiten). Einfache Verfügungen übernimmt die Assistentin eigenständig, so beispielsweise Kopien an den Mandanten. Der bearbeitende Anwalt gibt jedes Dokument nach der Durchsicht mit einer „Stempelverfügung“ zurück, die die nächste Aufgabe für das Sekretariat enthält. Workflowkennzeichen lassen sich im System von ReNoStar nach Bedarf frei vergeben.

Raimund Schraad und sein Team freuen sich, dass nun durchgängig sehr strukturiert und prozessorientiert gearbeitet wird. Dadurch wurde es sogar möglich, die Kanzlei im Rahmen einer sog. Matrix-Zertifizierung nach DIN/ISO zertifizieren zu lassen. Das sei wichtig, denn der Trend geht zunehmend dahin, dass sowohl Rechtsschutzversicherer als auch große Unternehmen bevorzugt Kanzleien beauftragen und mandatieren, deren Abläufe zertifiziert sind.

Alles in der Akte, alles digital

Natürlich gelangen viele Informationen im digitalen Zeitalter per E-Mail in die Kanzlei. Daher werden auch die zentral eingehenden E-Mails den Akten zugeordnet und gleichermaßen mit einem Workflowkennzeichen versehen. Jeder Absender erhält außerdem eine Empfangsbestätigung. Erstaunlich findet es Raimund Schraad, dass die meisten Mandanten nicht auf einer verschlüsselten Übertragung bestehen, obwohl die Kanzlei diesen Sicherheitsservice anbietet.

Digitale Akten haben einen weiteren Vorteil, der für die Kanzlei zunehmend an Gewicht gewinnt – oder besser: verliert. Zu Gericht werden kaum noch Handakten mitgenommen. Alle gerichtsrelevanten Dokumente in der E-Akte werden in PDFs gewandelt und können via iPad mitgenommen werden. So ist alles vor Ort, ohne dass dadurch die Aktentasche auch nur um ein Gramm schwerer wird.

„Alles digital“ hieß die Devise für eine neue Anwaltskollegin, die im Herbst 2016 in die Kanzlei eintrat. Sie führt seit Beginn alle Akten nur elektronisch. Nach Ansicht von Raimund Schraad ist es unbedingt notwendig, die Digitalsierung mit Konsequenz durchzusetzen, selbst wenn sich anfänglich Widerstand regt. „Nach kurzer Zeit erkennen alle die Vorteile und die Effizienzsteigerung.“

Immer und überall – die E-Akte

Alles digital hat noch weitere Vorzüge. So setzt die Kanzlei in Bad Hersfeld und Eisenach neben einem täglichen Datenabgleich zwischen den Büros auch eine Mobilitätslösung ein, die es jedem Anwalt ermöglicht, von überall auf seine Akten zuzugreifen oder darin zu arbeiten. Ganz einfach und pragmatisch kommt der „Teamviewer“ zum Einsatz. Dieser dient – mit verschlüsselter Übertragung und passwortgeschützt – dazu, den „Bildschirminhalt“ des Büro-PCs via Internettechnologien auf einem beliebigen PC, an einem beliebigen Ort darzustellen und zu bearbeiten. Das kann man sich vorstellen wie eine Art Fernsteuerung.

Natürlich gehört zur E-Akte auch das digitale Diktat. Je nach Arbeitsweise des einzelnen Anwalts erfolgt es bisher meist als Diktat, das sich dann eine Schreibkraft aus dem Diktatepool zum Abschreiben aufruft. Einige Anwälte arbeiten bereits mit der Spracherkennung, sodass direkt am Arbeitsplatz des Anwalts ein Rohdokument entsteht oder diktieren sogar die Inhalte Ihrer E-Mails mit Hilfe der Spracherkennung.

Digitale Diktate werden zur besseren Auslastung der Schreibkräfte auch zwischen den beiden Niederlassungen hin und her übertragen. Für Schriftsätze setzen die Anwälte neben eigenen Inhalten unterschiedliche Textbausteine für wiederkehrende Sachverhalte ein. Diese kommen von ReNoStar und wurden teils auch selbst erstellt.

Externe Kommunikation – natürlich auch elektronisch

Um nach außen zu kommunizieren, hat die Kanzlei Scheurmann Schraad verschiedene Tools im Einsatz, die sich allesamt in die ReNoStar Kanzleisoftware integrieren. Über Drebis und e-Consult erfolgt die Kommunikation mit Rechtsschutzversicherungen. Außerdem wird FaxWare eingesetzt für das elektronische Faxen vom Arbeitsplatz aus sowie Outlook und Kerio für den E-Mail-Verkehr. Nur Klagen werden noch per Post versandt, solange das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) nicht von allen Gerichten bedient werden kann, weil sie noch nicht am elektronischen Rechtsverkehr teilnehmen. Die Kanzlei wartet händeringend auf die durchgängige elektronische Erreichbarkeit aller Gerichte. Ansonsten werden zustellungssensible, schriftformbedürftige Dokumente am PC aus der E-Akte aufbereitet, mit Briefkopf und Anwaltssignatur versehen und per Fax übermittelt.

Wo das Geld verdient wird

Die Abrechnung von anwaltlichen Leistungen ist nicht trivial. Daher setzt die Kanzlei in Bad Hersfeld neben dem sog. RVG-Modul von ReNoStar auf eine spezialisierte Mitarbeiterin. Sie sorgt für ein einheitliches Vorgehen und revisionssichere Abrechnungen. Über entsprechende Workflowkennzeichen verständigen sich die persönlichen Assistenten und die Rechnungslegung via E-Akte über den aktuellen Stand. Die Buchhaltung verwendet das eBanking-Modul von ReNoStar, um die Kontoauszüge online abzuholen und Zahlungsein- und -ausgänge – auch für Fremdgelder – der E-Akte zuzuordnen. In der Akte gibt es keine Zahlungsbelege mehr.

Auch geordnete Abläufe bedürfen der Überwachung. Daher wird nicht nur einmal täglich geprüft, ob der Posteingang komplett den Akten zugeordnet wurde. Auch die Geldbewegungen werden einmal täglich von einem der Partner ausgewertet. Ein echtes Finanzreporting erfolgt einmal wöchentlich.

Die persönlichen Assistenten der Anwälte kontrollieren daneben täglich alle wichtigen Fristen und Wiedervorlagen und sogar, ob die Anwälte alle vorgelegten und mit Workflowkennzeichen versehenen Aufgaben ausgeführt haben.

Fazit

Raimund Schraad überzeugte uns mit seinen Ausführungen und seiner Begeisterung für die E-Akte. Er resümiert: „Natürlich war nicht immer alles so einfach, wie es jetzt erscheinen mag. Ich musste auch manchen Widerstand überwinden. Nach kurzer Zeit waren aber alle – ich meine wirklich: alle – überzeugt, dass die E-Akte um ein Vielfaches mehr Vorteile als Nachteile bietet. Ich kann daher nur jeder Kanzlei empfehlen, so schnell wie möglich damit zu beginnen, alle Dokumente und die gesamte Post zu scannen, selbst wenn sie jetzt noch nicht mit der E-Akte arbeiten. Dann wird der Umstieg zu einem späteren Zeitpunkt einfach und kostet kaum noch Extra-Zeit.“

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