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Höchste Auszeichnung für Rechtsanwalt Jobst-Hubertus Bauer

Höchste Auszeichnung für Rechtsanwalt Jobst-Hubertus Bauer

Arbeitsrecht seit 40 Jahren im Fokus

(mb) Die Hans-Dahs-Plakette gilt in der Anwaltschaft als höchste Auszeichnung. Der Arbeitsrechtler Jobst-Hubertus Bauer wurde beim Deutschen Anwaltstag in der Metropolregion Rhein-Neckar damit geehrt. DAV-Präsident Ulrich Schellenberg bezeichnete ihn als „eine Institution des Arbeitsrechts“. Er habe sich außerdem vielfach um den Deutschen Anwaltverein verdient gemacht. Bauer gehörte 1981 zu den Mitbegründern der Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht des DAV und leitete sie von 2001 bis 2013 als Vorsitzender.

Jobst-Hubertus Bauer wurde 1975 als Rechtsanwalt zugelassen und trat damals in Stuttgart in die Wirtschaftskanzlei Gleiss Lutz ein. 1980 bis 2014 war er Partner und Anfang 2015 wechselte er in den Status des Of Counsel. kanzleiLIFE hat mit ihm in Stuttgart gesprochen.

Was bedeutet Ihnen diese Ehrung?

Das ist schon etwas Besonderes. Wie ich erst nach der Ehrung herausgefunden habe, wird die Hans-Dahs-Plakette nur alle zwei oder drei Jahre verliehen. Wenn man sich dann anschaut, wer sie vor mir erhalten hat, kann man sich schon sehr geehrt fühlen. Hinzu kommt, dass ich der erste Arbeitsrechtler bin, der diese Auszeichnung erhalten hat.

Sie sind seit 1975Anwalt, wie war denn damals die Situation für Arbeitsrechtler?

Es gab natürlich damals auch schon Arbeitsrechtler, vor allem in kleinen Kanzleien. In den großen Wirtschaftskanzleien spielte das Arbeitsrecht dagegen keine große Rolle. Als ich 1975 bei Gleiss Lutz eingestiegen bin, hatten wir nur die Niederlassung in Stuttgart mit 17 Anwälten und wir gehörten damals zu den größten Kanzleien in Deutschland. (Heute beschäftigt Gleiss Lutz an 6 Standorten in Deutschland und in Brüssel ca. 350 Anwälte und gehört immer noch mit zu den größten nichtfusionierten Wirtschaftskanzleien,  Anm. der Redaktion).

Damals hat der sehr namhafte Partner Klaus-Peter Dolde, der nicht mehr bei uns ist, arbeitsrechtliche Fälle quasi nebenbei betreut. Mit ihm zusammen habe ich die Schließung eines größeren Betriebs bearbeitet. Das war mein Einstieg in das Arbeitsrecht, insbesondere in das kollektive Arbeitsrecht. An diesem Beispiel konnte ich wirklich Arbeitsrecht von A – Z in der Praxis kennenlernen, von Verhandlungen mit Betriebsräten, Gewerkschaftsfunktionären und Arbeitnehmern über Gespräche mit Politikern bis zu Arbeitsgerichtsverfahren. Meine Erkenntnisse habe ich in einem Beitrag mit dem Thema „Arbeitsrechtliche Probleme bei der Stilllegung von Betrieben und Betriebsteilen“ einfließen lassen.

Was hat Ihnen am Arbeitsrecht so sehr gefallen?

Erst einmal macht das Arbeitsrecht Spaß, weil man in direktem Kontakt mit Menschen ist. Ich bin nicht der, der nur ans Geld denkt, sondern ich möchte mit Menschen zu tun haben und fair mit ihnen umgehen, auch wenn sie auf der anderen Seite stehen. Nur im Büro zu sitzen, mag ich nicht. Vielmehr bin ich gerne bei Mandanten vor Ort. Meine Tätigkeit gestaltete sich immer so, dass ich mindestens drei Tage in der Woche unterwegs war – meist in Deutschland, ab und zu auch in Europa oder Übersee. Es war und ist Bewegung da. Von mir beratene und vertretene Firmen verschiedener Branchen möchte ich nicht nur vom Hörensagen kennen. Es ging mir immer auch darum, vor Ort sehen, was sie tun. Das ist nötig, um die Mandanten verstehen zu können. Vor allem schätze ich an meiner Tätigkeit aber auch den Umstand, dass ich grundsätzlich selbst darüber entscheiden kann, welche Fälle ich übernehme und wie ich sie bearbeite, also meine Unabhängigkeit. Dabei bin ich kein „Mietmaul“ meiner Mandanten.

Wie kommt es, dass Sie als Arbeitsrechtler für die Arbeitgeberseite tätig waren?

Ich würde mich selber als liberal bezeichnen mit Verständnis für die Wirtschaft. Ein Arbeitgeber muss die Möglichkeit haben, sein Unternehmen nach seinen Vorstellungen umzustrukturieren und dabei notfalls auch die Belegschaft zu akzeptablen Bedingungen zu reduzieren. Meine Ausrichtung als Arbeitgeberanwalt ergab sich zudem aus der Tatsache, dass es sich bei Gleiss Lutz um eine Wirtschaftskanzlei handelt. Immer wieder habe ich daneben auch Top-Führungskräfte gegen ihre Gesellschaften vertreten, sofern es keine Interessenskollisionen gegeben hat. Um ein paar Namen zu nennen, die auch bundesweit durch die Presse unter Nennung meines Namens gegangen sind: Ron Sommer, früher Telekom-Chef, Porschechef Wendelin Wiedeking, als er mit der höchsten Abfindung, die jemals in Deutschland gezahlt wurde, ausgeschieden ist oder die früheren Vorstandsvorsitzenden von Siemens, Klaus Kleinfeld und Peter Löscher.

Die Beratung und Vertretung von Arbeitgebern oder von Top-Führungskräften hat allerdings – jedenfalls aus meiner Sicht – nicht dazu geführt, kein Verständnis für die Sorgen und Nöte „normaler“ Arbeitnehmer zu haben.

Arbeitsrecht – keine Welt in der schwarz-weiß gemalt wird

Sie haben viele Verhandlungen geführt in Ihrem Leben. Können Sie verallgemeinert sagen, wann Arbeitgeber und wann Arbeitnehmer überreagieren?

Ich gehöre nicht zu denjenigen, die schwarz-weiß malen. Ich kenne Gesellschaften oder Manager, unter denen ich nie hätte arbeiten wollen und die ich für völlig fehl am Platz halte. Ich kenne andererseits aber auch viele tüchtige, erfolgreiche und mit Sozialkompetenz ausgestattete Führungskräfte. Auf Betriebsrats- und Gewerkschaftsseite ist es ähnlich. So habe ich im Laufe meines Berufslebens Gewerkschaftsfunktionäre und Betriebsratsmitglieder erlebt, die noch mitten im tiefsten Kommunismus steckten, also ideologisch festgefahren waren. Aber auch im Gewerkschafts- und Betriebsratslager gibt es Gott sei Dank vernünftige Leute. Deshalb ist schon etwas an dem Sprichwort dran: „Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus.“ Es gab Situationen, in denen ich Gesellschaftern, Aufsichtsräten oder vertretungsberechtigten Organmitgliedern sagen musste, sie sollten sich nicht über das schlechte Verhältnis mit dem Betriebsrat in ihrem Haus wundern.

Sie sind nicht mehr als Partner in der Kanzlei tätig, sondern als Of Counsel. Wann werden Sie gerufen?

Da ich noch viel Spaß an der einen oder anderen Beratung und zudem an Vorträgen und Veröffentlichungen habe, wollte ich mit 70 Jahren noch nicht aufhören. Der Of-Counsel-Vertrag ist eine Art Beratervertrag mit Win-Win-Situation für Gleiss Lutz einerseits, andererseits für mich. Schön ist, dass es nach wie vor Mandanten gibt, die meine Meinung hören wollen, obwohl der mit eingeschaltete jüngere Kollege oder die jüngere Kollegin juristisch exzellent qualifiziert sind. Lebenserfahrung spielt bei anwaltlicher Beratung vielfach eine nicht zu unterschätzende Rolle. Hinzu kommt, dass in solchen Fällen die Ansprechpartner auf Seiten meiner Mandanten nicht selten auch meiner Alterskategorie angehören.

Sie haben viele Standardwerke und Artikel veröffentlicht und Fachzeitschriften mit gegründet.

Meinen oben erwähnten ersten Beitrag habe ich an Gott und die Welt verschickt. Auch potenzielle Mandanten haben damals meine Ausführungen mit Interesse gelesen. Damit habe ich das Fundament für meine Karriere als Arbeitsrechtsanwalt gelegt. Es folgten dann viele weitere Fachaufsätze und sonstige arbeitsrechtliche Veröffentlichungen, mit denen ich mir einen Namen machen konnte. Dabei bin ich ein Fan klarer Sätze. Bandwurmsätze sind verpönt. Und natürlich sollte der Inhalt richtig bzw. vertretbar sein. Daneben bin ich ein Freund kurzer „knackiger“ Beiträge, an denen vor allem auch Zeitungen wie beispielsweise das Handelsblatt und Zeitschriften interessiert sind. Das ist im Laufe der Zeit zu einer Art Hobby von mir geworden.

Dennoch, das hört sich alles nach sehr viel Arbeit an.

Ja klar, gearbeitet habe ich viel. Aber das ist heute für die jungen Leute auch nicht anders. Andererseits war ich, wenn ich mit meiner Familie in Urlaub gefahren bin – und das waren in der Regel weite Reisen – wirklich weg. In Australien beispielsweise, konnte mich in den 80er Jahren niemand so schnell erreichen. Das war richtiger Urlaub. Und meine Mitarbeiter haben sich dann auch gefreut, dass sie eigenverantwortlich arbeiten konnten, wenn der „Alte“ einmal weg war.

Wie viel hat Ihnen Ihr Humor geholfen?

Da denke ich an Wilhelm Raabes Motto: „Der Humor ist der Schwimmgürtel auf dem Strom des Lebens.“ Ich bin nämlich überzeugt, dass man mit Humor im Leben generell besser über die Runden kommt. So habe ich eine Abneigung gegenüber verbissenen Anwälten oder Richtern. Aber, um kein Missverständnis aufkommen zu lassen: Dabei können mir einzelne Schicksale von Arbeitnehmern durchaus sehr nahe gehen. Das ist so ähnlich wie bei einem Arzt: Er muss handlungsfähig bleiben und kann nicht unter den Problemen der Patienten zusammenbrechen.

Mischen Sie sich gerne in rechtspolitische Diskussionen ein, wenn sie juristische Themen streifen?

Ich habe keine Hemmungen, Entscheidungen von Gerichten und die „Elaborate“ des Gesetzgebers zu kritisieren. Bei Gesetzen gibt es natürlich je nach Couleur der Parteien, die gerade das Sagen haben, immer die Möglichkeit, stärker die Arbeitnehmer- oder Arbeitgeberseite zu begünstigen. Das muss in einer Demokratie so sein, wobei allerdings auch die verfassungsrechtlichen Grundrechte zu Gunsten von Arbeitgebern zu beachten sind. Zu arbeitnehmerfreundliche Gesetze können der Wirtschaft durchaus schaden, was ich immer wieder auch deutlich anspreche. Außerdem gibt es leider eine steigende Zahl arbeitsrechtlicher Gesetze, die handwerklich miserabel sind.

Sie hatten an der Universität Tübingen von 2010 bis letztes Jahr noch eine Honorarprofessur, was war Ihnen besonders wichtig zu vermitteln?

Ich habe mich an der Uni aufs Arbeitsrecht konzentriert. Mein Faible für den Anwaltsberuf ist den Studenten natürlich nicht entgangen. Meine Berufswahl habe ich nie bereut. Ich vertrete die Interessen meiner Mandanten gerne einseitig, wobei ich durchaus ein Freund vernünftiger einvernehmlicher (außer-)gerichtlicher Regelungen bin. Das gilt insbesondere auch für Fälle des kollektiven Arbeitsrechts. In diesem Sinne habe ich stets für den Anwaltsberuf geworben, den Studenten aber auch gesagt, dass es Anwälte zu Hauf in Deutschland gibt. Deshalb sind gute juristische Staatsexamen und wirtschaftliches Verständnis bei der Berufswahl sehr förderlich. Und will man in einer Wirtschaftskanzlei arbeiten, sind heutzutage Englischkenntnisse unabdingbar. Mein Englisch entspricht diesen Anforderungen leider nicht. Das nicht im Laufe der Zeit korrigiert zu haben, bedauere ich nach wie vor.

Sehr geehrter Herr Bauer, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.

 

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