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Gehört die Zukunft der künstlichen Intelligenz?

Gehört die Zukunft der künstlichen Intelligenz?

„Gestatten mein Name ist Watson, ich bin eine künstliche Intelligenz. Ich verarbeite riesige Datenmengen in einer Wahnsinnsgeschwindigkeit. Ich kann nicht nur Worte verstehen. Ich verstehe auch Texte nach Bedeutungen und Zusammenhängen und Sie können mit mir reden wie mit einem Menschen. Und je mehr Sie mich unterrichten und mit mir trainieren, umso schneller und besser kann ich für Sie arbeiten.“

So in etwa könnte sich Watson, der Supercomputer aus dem Hause IBM, einem Kunden vorstellen.

Watson entstand aus einer „Grand Challenge“, so bezeichnet der IT-Riese IBM die großen technischen Herausforderungen, denen sich die Wissenschaftler immer wieder stellen. Beispielhaft war dafür u.a. auch Deep Blue, der Computer, der beim Schachspiel den damaligen Weltmeister Garry Kasparov bezwungen hat. Das war 1997.

H. Mück

Nun steht also Watson im Mittelpunkt der wissenschaftlichen Forschungen und wie Stefan Mück, IBM Distinguished Engineer und Chief Technology Officer Cognitive Solutions, es ausdrückt, „Nun können künstliche Systeme wie Watson die Art und Weise verändern, wie Unternehmen künftig entscheiden, handeln und arbeiten.“ Der zentrale Punkt: KI-Systeme lernen durch Interaktionen mit den Menschen, so muss auch Watson regelrecht für seine Aufgaben geschult werden. Watson ist daher im Gegensatz zu Deep Blue ein lernendes System, das in der Interaktion immer besser wird.“

Watson – kognitives System mit semantischen Fähigkeiten

Watson ist ein Superbeispiel für die Kombination von maschinellem Lernen sowie der Nutzung künstlicher neuronaler Netzwerke, Teilbereiche Künstlicher Intelligenz, die in dieser Kombination immer größere Bedeutung erlangen. Bei der diesjährigen Technik-Messe CES in Las Vegas hieß es sogar, dass im Laufe dieses Jahres Computer zum ersten Mal gesprochene Sprache genauso gut verstehen lernen wie Menschen. So stand die Messe auch ganz im Zeichen digitaler Assistenten.

Deep Blue war schon richtig fit. Er berechnete vor 20 Jahren in der Sekunde 200 Millionen Schachzüge. Watson hat heute noch bedeutend mehr Rechnerkapazität – das Handelsblatt berichtete im letzten Jahr, dass laut IBM der Computer in 15 Sekunden die Symptome von einer Million Krebspatienten vergleichen, 10 Millionen Finanzberichte und 100 Millionen Produkthandbücher lesen kann. „Und dann muss er noch nicht einmal schlafen“, kommentiert das Stefan Mück trocken.

Vielleicht könnte man Watson als Ahnherrn (er wurde nach Thomas J. Watson, einem der ersten Präsidenten von IBM benannt) der selbst lernenden Computer bezeichnen. Seine Fähigkeiten sind darauf ausgelegt – und das ist der radikal neue Ansatz gegenüber den traditionellen Systemen – die natürliche menschliche Sprache (bisher insgesamt neun Sprachen) zu verstehen, Wörter und Kontext zu analysieren, diese Informationen dann schnell zu verarbeiten und so präzise Antworten auf Fragen in natürlicher Sprache zu geben. Der User muss also nicht eine computerangepasste Sprache lernen, sondern umgekehrt, der Computer lernt und verarbeitet natürliche Sprache. So können immer schneller und immer mehr Datenmengen in kürzester Zeit be- und verarbeitet werden.

Stefan Mück sagt das so: „Das System bildet den Beginn einer neuen Entwicklungsrichtung. Das Ziel ist, lernende Computersysteme für ganz unterschiedliche Einsatzbereiche zu konzipieren.“

Watson besiegt Jeopardy-Seriengewinner

Im Februar 2011 bewies Watson glanzvoll zum ersten Mal seine Leistungsfähigkeit. In drei Folgen der Quizsendung Jeopardy besiegte er überlegen zwei Seriengewinner der berühmtesten amerikanischen Quizshow. Die Partie war mit einem Preisgeld von einer Million Dollar ausgelobt. Das Preisgeld floss u.a. in die medizinische Forschung.

Das Besondere an dieser Show war, dass die Fragen oft mehrdeutig sind und auch Wortwitz verstanden werden muss. Watson war dabei nicht mit dem Internet verbunden, sondern konnte durch vorher eingegebene Informationen und durch viele und massiv parallel ablaufende Softwareroutinen die Fragen schnell verstehen und entsprechend schnell auch die Antworten geben.

Es ist gar nicht so abwegig, dass das Geld dem Gesundheitsmarkt zugutekam. Denn IBM betont gerade für diesen Bereich Watsons große Qualitäten, arbeitet auf diesem Gebiet auch bereits mit anderen Unternehmen zusammen und sieht hier große Chancen für Kliniken und Ärzte im onkologischen Bereich. IBM verweist auf einen Test, bei dem der Computer 1000 Krebsdiagnosen von Ärzten zu „lesen“ bekam und in 99 Prozent der Fälle schlug er dieselbe Therapie wie die Onkologen vor. In 30 Prozent der Fälle kam der Computer auf eine Behandlungsmethode, die dem menschlichen Arzt nicht eingefallen war. Mitunter schlug Watson auch eine Therapie auf Basis eines neuen Forschungs-Aufsatzes vor, den der Arzt noch nicht gelesen hatte, der Computer aber schon. Gerade in der Gen-Sequenzierung oder auch Diagnostik kann Watson hervorragend eingesetzt werden.

Kliniken oder auch Ärzte können sich Watson-Cloud-Dienste kaufen, um so die Krebstherapie schneller und besser individuell auf den einzelnen Patienten zuzuschneiden.

Entsprechend trainiert zieht Watson die nötigen Schlussfolgerungen, sieht die Zusammenhänge. So kann er beispielsweise im Versicherungswesen Tausende von Verträgen überprüfen. Das ist zum Beispiel dann erforderlich, wenn sich Gesetze so ändern, dass diese Änderungen in die existierenden und neuen Verträge einfließen müssen. Eigentlich keine Arbeit, die Menschen Freude machen kann. Da scheint die Brillanz, Schnelligkeit und Zuverlässigkeit des Computers unschlagbar.

Stefan Mück: „Das System hat vier Charakteristika: es versteht Texte und erkennt die Bedeutung, es zieht Schlussfolgerungen, es lernt bzw. wird trainiert, nicht programmiert, und es ist interaktiv.“

„Ross – your brand new artificially lawyer“

Ross ist  die juristische Variante von Watson. Er ist in einer großen Kanzlei in den USA bereits im Einsatz. Kanadische Studenten beteiligten sich an einem der bekannten IBM-Nachwuchswettbewerbe, gewannen und gründeten daraufhin das Startup www.rossintelligence.com, das mit unterschiedlichen Watson-Modulen arbeitet. Allerdings keine Angst: Stefan Mück sieht keine Gefahr für die Anwälte. „Watson löst den Anwalt nicht ab“, meint er, „allerdings unterstützt er ihn bei der Recherchearbeit“. Doch auch hier gilt: „Ross hilft dort, wofür Sie ihn trainiert haben.“

Der juristische Markt wird sich ändern, genau wie alle anderen Märkte es auch tun. Und nichts ist für Rechtsanwälte derzeit schlimmer als zu meinen, dass sie sich für Digitalisierung und KI nicht zu interessieren brauchen. Anwälte und Juristen werden gebraucht, keine Frage, aber ihre Arbeitsweise verändert sich. Recherchearbeit kann Ross um ein Vielfaches schneller erledigen als es jeder Mensch kann. Also dort wo große Datenmengen durchgeschaut und auf standardisierbare Elemente untersucht werden müssen, greift die KI.

IBM bietet Nutzern Module an, die auch auf einem normalen PC installiert werden können und sich mit einem normalen Server betreiben lassen. Oder man bezieht die Leistungen von Watson aus der Cloud. Es kommt eben ganz darauf an, wofür der Nutzer das System einsetzen will und wie komplex die erforderlichen Fähigkeiten sein müssen. Stefan Mück: „Man muss nicht gleich das ganze Auto kaufen, man kann es auch mieten und zahlen je nachdem, wie häufig man es nutzt.“

Ein Problem besteht allerdings noch: Watson spricht zwar schon deutsch, aber er ist noch lange nicht auf die deutsche Rechtsprechung ausgerichtet. Doch das ist nur eine Frage der Zeit.

Und während ich hier sitze und den Artikel schreibe, überlege ich mir, dass Watson das vermutlich innerhalb von Minuten für mich tun könnte. Allerdings müsste ich ihn vorher dafür trainieren.

mab

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