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Der Anwaltsberuf im Umbruch – einsteigen oder aussteigen?

Der Anwaltsberuf im Umbruch – einsteigen oder aussteigen?

Der Anwaltsberuf ist im Umbruch und das nicht nur durch den elektronischen Rechtsverkehr, der sich bis 2020 überall in Deutschland durchgesetzt haben soll. Beim Anwalts-Zukunfts-Kongress Anfang September in Köln gab es nur dieses eine Thema: Wie verändern Technologie und Digitalisierung die Arbeit der Rechtsanwälte und wie lange kann der einzelne Rechtsanwalt diese Themen noch von sich fern halten? 360 Interessenten, darunter meist Anwälte und Anwältinnen, waren der Einladung von Wolters Kluwer und der Hans Soldan GmbH gefolgt.

Der digitale Wandel erfasst die ganze Gesellschaft

Der nordrhein-westfälische Justizminister, Thomas Kutschaty, machte in seiner Begrüßungsrede deutlich, dass der digitale Wandel nicht nur für Industrie 4.0 gilt. „NRW 4.0, der digitale Wandel der gesamten Gesellschaft ist eines der Themen der Landesregierung.“ So habe man eine Arbeitsgruppe gegründet, die sich besonders den rechtlichen Folgen der digitalen Entwicklungen widme. So enthalte beispielsweise das Bürgerliche Gesetzbuch keine Regelungen zu digitalen Fragestellungen. „Passt analoges Recht noch zu einer digitalen Welt?“, fragte er, ohne allerdings dazu eine Antwort vorzulegen. Die müsse ja schließlich erst noch gefunden werden.

Eine der Umwälzungen im Arbeitsalltag der Anwälte habe mit dem elektronischen Rechtsverkehr zu tun. E-Akte und das besondere Anwaltspostfach (beA) sind die beiden Schlagwörter, hinter denen sich die beiden größten Veränderungen für die Justiz verbergen. Im Moment ist die vollelektronische Kommunikation zwischen Anwälten und Gerichten nur bei Registergerichten und bei Mahnverfahren die Regel. Im Strafrecht wird gerade mal darüber diskutiert, dass vielleicht ab 2026 Akten elektronisch ausgetauscht werden.

Der Gesetzgeber muss auf die Veränderung reagieren

Der nordrhein-westfälische Justizminister wies auch auf einige Lücken hin, die die Arbeitsgruppe des Landes im Zusammenhang mit dem elektronischen Rechtsverkehr beschäftigt. Beim Vertragsrecht beispielsweise komme es tagtäglich zu den größten Lügen in Deutschland. Genau dann nämlich, wenn Kunden online bestätigen, dass sie die AGBs gelesen hätten und dann zustimmen. Natürlich lese so gut wie keiner den Paragraphenwust durch.

Ein weiteres wichtiges Thema, bei dem es um die Rechte von Verbrauchern geht: „Laien denken, meine Daten gehören mir“, aber das gelte nur für die lokalen Daten. Weiter stellte Thomas Kutschaty die Frage, ob der Schutz der Persönlichkeit angesichts von Cybermobbing und dem Veröffentlichen von ehrverletzenden Bildern noch ausreichend sein. Viel Stoff also für den Gesetzgeber.

Neue Denke und neue Abläufe

Beim Kongress selbst ging es allerdings mehr um die Arbeitswelt der Rechtsanwaltschaft. Wie wird sich das Arbeiten verändern und wie lange können Anwälte vor den Veränderungen noch die Augen verschließen. Die Gefahr, den Kopf in den Sand zu stecken, bestünde durchaus, so allgemeiner Tenor, da es sich bei den Anwälten um eine recht konservative Berufsgruppe handele.

„Digitales Arbeiten ist für viele Rechtsanwälte schon Alltag und dennoch wird sich die Branche noch gewaltig verändern“, schwor René Dreske von der Hans Soldan GmbH die Kongressbesucher auf den zweitägigen Vortragsmarathon ein. Und die Vorträge waren eine gute Mischung aus theoretischen Grundlagen und bereits vorhandener technologiebasierter Praxis.

Ekkehart Schäfer, der Präsident der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) bezeichnete das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) als „einen der Meilensteine der digitalen Entwicklung“. „Die Digitalisierung lässt sich nicht aufhalten“ und er forderte seine Kollegen und Kolleginnen auf, sich auf das beA einzulassen, obwohl er schon sehe, dass der Prozess der Einführung zu Verunsicherungen führen könne.

Doch sein Plädoyer war eindeutig: „Das beA basiert auf einem sicheren Datendienst, es ist von Ende zu Ende verschlüsselt, beA ist sicher und beA ist schnell.“ Postlaufzeit sei ein Begriff aus der Vergangenheit. Das beA sei präzise und kostengünstig und dennoch ändere sich nichts an der anwaltlichen Arbeit, auch die Angestellten könnten nach wie vor zuarbeiten, nur die Signatur sei dem Anwalt vorbehalten.

Schäfer sieht die Anwälte als elektronische Vorreiter, die Gerichte müssten nachziehen.  Das beA sei nur der Beginn: „Wir Anwälte müssen die Chancen nutzen und den Prozess der Digitalisierung steuern und gestalten“, mit diesem Appell beendete er seine Rede.

Pia Eckertz-Tybussek, die Vizepräsidentin des Deutschen Anwaltvereins, wollte sich von dieser Euphorie nicht mitreißen lassen. „Digitalisierung bedeutet ja nicht nur, dass sich die Arbeitsweise der Anwälte verändert, auch die Gesetze müssen sich verändern“, erklärte sie. Sie konstatierte auf Seiten des Gesetzgebers viel Nachholbedarf. Ihrer Meinung nach wird gerade „das Berufsbild des Anwalts auf den Kopf gestellt“. Sie sieht einen Eingriff in das Berufsrecht und sie glaube nicht an die absolute Sicherheit der elektronisch verschickten Daten. „Ich glaube nicht an die Unmöglichkeit Daten zu knacken.“ Verschwiegenheit oder auch Datenschutz könne man wohl künftig kaum garantieren. „Wie soll ich die digitale Gefährdung meines Mandanten noch verhindern?“, fragte sie. Digitalisierung bedeute eine Änderung der Denkmuster und der Abläufe im Arbeitsalltag. Ihr Appel zum Schluss: „Lassen wir unsere Lethargie, auf unsere Freiheit zu achten, fallen.“

Warnungen vor den Folgen der Entwicklung waren beim Anwalts-Zukunfts-Kongress nicht das Thema und eher privaten Gesprächen vorbehalten. Im Raum standen Vorträge über künstliche Intelligenz, die Arbeit von legaltech-Firmen, vorgestellt wurde Assistent Watson oder eine Entwicklung, die es möglich machen soll, anhand einer Sprachanalyse Einblick in die Persönlichkeit und das Verhalten eines Menschen zu geben.

Was bleibt im Moment für den einzelnen Anwalt zu tun? Das war wohl die Frage, die jeden der Anwesenden umtrieb. Untersuchungen in den USA zeigten, dass Kanzleien, die sich proaktiv auf die Bedürfnisse ihrer Mandanten eingestellt hatten, erfolgreicher waren, als solche, die vor allem bei Personal gespart und Abläufe optimiert hatten. Mandanten sind heute anspruchsvoller als in früheren Zeiten. Sie wollen ausgezeichneten Service für weniger Geld. Deshalb sei es auch eine Notwendigkeit für die Kanzlei der Zukunft, schnell zu arbeiten, online zu sein und ihre Angebote transparent zu halten. So zumindest die Aussagen von Dr. Roland Vogl von der Stanford Universität in Kalifornien.

In den kommenden Monaten werden wir über die Ideen und Entwicklungen im Rechtsmarkt, die auf dem Anwalts-Zukunfts-Kongress vorgestellt wurden, auf kanzleiLIFE ausführlich berichten.

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